
Text: Johanna Schmidt
Pop und Pöbeln, Sexyness mit gleichzeitigem Hang zum Anstößig-Irritierenden derart gekonnt zu präsentieren und in einer harmonischen und tanzbaren Symbiose zu verbinden, ja, das ist eines der vielen Talente von Peaches. Die aus Kanada stammende und mittlerweile in Berlin lebende Musikerin ist vor allem eins: eine Ikone und auch ein Phänomen. Ein Phänomen, das diversen Generationen heranwachsender Feministinnen und Musikerinnen nicht nur eine Identifikationsfigur, sondern auch den Einstieg in musikalisches Rebellinnentum bietet.
Ihre Songs – und manchmal auch Peaches selbst – tauchen in den unterschiedlichsten Serien wie The L-Word, Sex Education oder The Handmaid‘s Tale auf, doch nie als bloße Hintergrundmusik. Wenn Peaches läuft, dann immer mit Aussage.
Seit den 1990ern macht Merrill Nisker, wie sie mit bürgerlichem Namen heißt, Musik. Im Jahr 2000 erschien „The Teaches Of Peaches“, ihr zweites Album, veröffentlicht über das Berliner Label
Kitty-Yo. Doch was sind denn nun eigentlich diese „Teaches Of Peaches“, die Lehren von Peaches? „Fuck The Pain Away“ heißt der erste Song auf diesem Album, dessen Titel wohl schon einen Teil der Antwort liefert, aber auch Einblick in das Phänomen Peaches gibt.
„Suckin‘ on my titties like you wanted me / Calling me, all the time like Blondie / Check out my Chrissie behind/ It’s fine all of the time / Like sex on the beaches / What else is in the teaches of peaches? Huh? What?“
Peaches beschreibt Sex außerhalb von der heteronormativen und romantischen Klischees, feiert weibliche Lust und weibliches Verlangen. Doch geht es nicht darum, dies zu normalisieren oder zu enttabuisieren. Viel mehr erhebt Peaches weibliche Sexualität zu etwas Magischem, etwas Wildem und verleiht ihr eine wunderbar anstößige Note, die nicht um Akzeptanz bittet, sondern pures Statement ist. Peaches war Vorreiterin und schon da, bevor „Self-Love“ und „Sex-Positivity“ zu Trends in sozialen Netzwerken wurden und zeigte weibliche Körperbehaarung, bevor man darin überhaupt ein Tabu sah.
Auch ihre Bühnenshows sind Exzess. Für das Publikum und für sie selbst. Peaches tritt auf mit Vulva-Kopf- und Ohrschmuck, ansonsten mal mehr, mal weniger angezogen. Ihre eigene Ästhetik wirkt nicht inszeniert sondern elaboriert. Peaches ist ein einziger feministischer Fiebertraum, mit ihr selbst in der Hauptrolle. Diesen Traum setzt sie übrigens bereits seit Jahren als Regisseurin ihrer eigenen Videos um, auch an der Umsetzung von Kunstmessen wie der Art Basel Miami Beach und der Biennale von Venedig war sie beteiligt. Die Künstlerin ist überall zuhause und doch nicht von dieser Welt.
Laut Peaches selbst haben Disney-Stars wie Christina Aguilera und Britney Spears ihre Musik konsumiert und wenn man Songs wie „Dirrty“ oder „Toxic“ hört, dann wirkt das in jedem Fall nachvollziehbar. Und wären Cardi B und „WAP“ ohne Peaches denkbar gewesen? Man weiß es nicht. Fest steht aber: Peaches ist gelebte Pop-Protest-Kultur, alterslos und immer relevant. The boys wanna be her. The girls wanna be her.